Ranking der innovationsstärksten Automobilhersteller 2024: BMW Group wird knapp vor Geely und SAIC weltweit innovativster Automobilkonzern, Mercedes-Benz innovativste Premiummarke. Chinesische Automobilhersteller erreichen Rekordwerte bei der Innovations-stärke.

AutomotiveINNOVATIONS Award 2024: BMW ist der weltweit innovativste Automobilkonzern des Jahres, auch dank der Marke Mini, die innovativste Volumenmarke wird / Mit Geely und SAIC kommen erstmals zwei chinesische Konzerne auf Platz zwei und drei der Konzernwertung, Vorjahressieger Volkswagen landet nur noch auf Platz 6 / Mercedes-Benz wird innovativste Premiummarke, wozu auch die Mercedes-Benz E-Klasse als innovativstes Modell 2024 beiträgt.

Bergisch Gladbach, 27. Juni 2024. Die Automobilindustrie erlebt angesichts der Branchentransformationen eine Phase paradigmatischen Wandels, die auch zu weitreichenden Veränderungen der Innovationsstärke von Automobilunternehmen führen. Auf Basis von rund 1.000 Innovationen des jährlichen Analysezeitraums 2023/2024 zeigt sich eine umbruchartige Verschiebung der Innovationskraft zugunsten chinesischer Automobilhersteller. Unter den Top-10 der innovationsstärksten Automobilgruppen befinden sich erstmals 5 chinesische Automobilkonzerne. BMW behauptet sich als innovationsstärkster Automobilkonzern des aktuellen Jahres knapp vor den chinesischen Automobilkonzernen Geely und SAIC, die auf Rang 2 bzw. 3 landen.

Insgesamt entfällt auf die Gruppe der chinesischen Automobilhersteller im aktuellen Jahr ein Rekordanteil von 46 Prozent der globalen Innovationsstärke* des Samples von 30 Konzernen mit über 100 Automobilmarken, während im Jahr 2019 dieser Wert noch bei 21 Prozent lag. Umgekehrt sinkt die Innovationsstärke der deutschen Automobilhersteller von 45 Prozent im Jahr 2019 auf aktuell nur noch 23 Prozent (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Entwicklung des Anteils der Innovationsstärke* nach OEM-Herkunftsländern1

Quelle: www.automotiveinnovations.de; Anm.: 1) Gemessen an der Gesamtinnovationsstärke aller Hersteller im Jahr; Europe = ohne Deutschland

Hierbei zeigt sich ein klarer regionaler Unterschied in der Innovationsgeschwindigkeit: Obwohl die deutschen Hersteller die Zahl Ihrer Innovationen im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent steigern können, nimmt die Zahl der chinesischen Innovationen im selben Zeitraum um 32 Prozent zu. Das China-Tempo ist bei der Entwicklung von Innovationen also wesentlich höher als das Deutschland-Tempo (vgl. Abbildung 2). Dies schlägt sich sogar noch stärker in der Innovationsstärke nieder, die bei deutschen OEM praktisch stagniert, bei den chinesischen Automobilherstellern jedoch ebenfalls um etwa ein Drittel ansteigt.

Hierzu Studienleiter Stefan Bratzel: „Wir erleben in der globalen Automobilindustrie eine tektonische Verschiebung der Machtbalance zugunsten chinesischer Automobilunternehmen, die immer stärker an der Innovationsstärke abgelesen werden kann. In den Zukunftsfeldern der Elektromobilität, des software-definierten Fahrzeugs und der Vernetzung haben chinesische Hersteller – auch mit Unterstützung des Staates und westlicher Zulieferer – zentrale Kompetenzen aufgebaut, auf deren Basis mit hoher Geschwindigkeit bereits innovative Serienfahrzeuge gebaut werden. Für die etablierten Hersteller gilt es gegenzuhalten. Gerade für Automobilkonzerne am Standort Deutschland ist das eine große Herausforderung: Sie müssen mindestens so viel innovativer sein, wie sie teurer sind.“

Die US-amerikanischen Hersteller verlieren insgesamt noch stärker an Innovationsstärke, da sowohl die Zahl der Innovationen als auch die Innovationsstärke um rund ein Drittel sinkt. Für den Rückgang im Vergleich zum Vorjahr ist vor allem an General Motors und Ford verantwortlich. Dagegen schneidet Tesla bei der Zahl der Innovationen sowie der Innovationsstärke Tesla etwas besser ab. Allerdings erreicht Tesla nicht mehr das Innovationsniveau der letzten Jahre und kommt aktuell Tesla nur auf Platz 13 (Vorjahr: Rang 15), während GM und Ford nur noch Rang 15 (6) bzw. 16 (5) erreichen.

Bei den Japanern geht es seit einigen Jahren mit ihrer Innovationsstärke bergauf, wenn auch auf niedrigem Niveau. Vor allem Toyota macht Boden gut und verbessert sich aktuell von Rang zehn auf Platz vier, noch vor den Konzernen Mercedes-Benz Group und der VW AG.

Abbildung 2: Anzahl Innovationen* von deutschen und chinesischen OEMs im Vergleich

Quelle: www.automotiveinnovations.de

Dies sind zentrale Ergebnisse des AutomotiveINNOVATIONS Reports 2024, den das Center of Automotive Management (CAM) seit 2005 erstellt und jährlich aktualisiert. Die aktuellen Ergebnisse setzen sich aus 709 einzeln bewerteten Innovationen zusammen, die bereits auf wichtigen globalen Märkten vor Kunde verfügbar sind, und weiteren 282 Vorserieninnovationen bzw. Studien. Die innovativsten Konzerne, Marken und Modelle zeichnet das CAM bereits seit 2012 mit dem AutomotiveINNOVATIONS Award in zehn Kategorien aus.

Konzern-Ranking: BMW vor Geely und SAIC

In der aktuellen Innovationsstudie erreicht die BMW Group auf Basis von 70 Serienneuerungen (darunter 27 Weltneuheiten) die höchste Innovationsstärke unter 30 Automobilgruppen und gewinnt damit erstmals den AutomotiveINNOVATIONS Award der innovativsten Automobilkonzerne. Mit einem Indexwert von 151 Punkten belegt der Münchner Konzern Rang eins, knapp vor den chinesischen OEMs Geely (149,4 Indexpunkte) und SAIC (136,8) (vgl. Abbildung 3).

BMW punktet mit einer breiten Innovationsleistung auf hohem Niveau in verschiedenen Technologiefeldern. Hervorzuheben sind Weltneuheiten wie der Level 3 Staupilot im 7er, der erstmals auch bei Dunkelheit einsetzbar ist, der gestenbasierte Spurwechselassistent im 5er, der bereits durch Blick in den Seitenspiegel funktioniert oder Proactive Care, das AI-basiert Reparatur- und Wartungsbedarfe erkennt und den Kunden aktiv Lösungen anbietet. Gleichzeitig weist BMW auch starke Innovationsleistungen im Elektrobereich auf, etwa bei der Reichweite (Mini Cooper) oder Ladeleistung (5er). Gleichzeitig ist der Innovationstrend für das Folgejahr mit weiteren 20 Vorserien-Innovationen bzw. Studien – viele davon rund um die neue Klasse – stark überdurchschnittlich.

Abbildung 3: Innovationsstärke* globaler Automobilhersteller 2024 (Konzernebene, Top 16)

Quelle: CAM; Anm.: Trend für das Folgejahr: +++ = sehr stark überdurchschnittlich / ++ = stark überdurchschnittlich /
+ = überdurchschnittlich / o = (höchstens) durchschnittlich. Strength = Innovationsstärke, n = Anzahl Innovationen.

Die chinesischen Hersteller Geely und SAIC auf den Podiumsplätzen sowie Xiaopeng Motors ( (Xpeng, Rang 7) und BYD (Rang 8) zeigen sehr starke Innovationsleistungen in den Technologiefeldern Elektromobilität (BEV), Fahrerassistenzsysteme (ADAS) und Interfaces (Bedien-/Anzeigekonzepte), in denen sie über 80 Weltneuheiten präsentieren.

  • Im BEV-Bereich generieren GAC, Geely, SAIC und Xpeng Segment-Rekorde vor allem bei Ladeleistung und Reichweite, etwa die höchste Ladeleistung im Van-Segment des Xpeng X9.
  • BYD, GAC, Nio, SAIC und Xiaopeng verfügen bereits über Level-2+-Systeme nicht nur auf Autobahnen und im Stau, sondern vielfach auch in städtischen Gebieten verfügbar, einige Weltneuheiten in ihren Segmenten stammen hierbei wiederum von X-Peng im Van X9.
  • Besonders breit besetzen die chinesischen OEMs das Thema Connectivity mit insg. 125 Serien-Innovationen im Jahr 2023. Hoch bewertete Innovationen hat z.B. Geely mit einer stark vergrößerten Augmented-Reality-Projektion oder der nahtlosen Verknüpfung vom Fahrzeug- mit dem Smartphone-Betriebssystem („Meizu Flyme“) auf den Markt gebracht. SAIC präsentiert ein KI-basiertes Infotainment-System zur Verschmelzung von Realität und Virtualität („Shua“ im IM Motors LS7), außerdem mit der „Yep Car Watch“ ein interaktives Display außen am Fahrzeug zur Kommunikation mit der Umgebung.

Auffällig aus deutscher Sicht ist neben dem guten Abschneiden von BMW vor allem der starke Rückgang bei Volkswagen. Der Wolfsburger Konzern kommt aktuell mit 85,9 Indexpunkten nur noch auf Rang sechs und büßt 44 Prozent seiner Vorjahrespunkte ein. „Dass Volkswagen in diesem Jahr historisch schlecht abschneidet, hängt neben der aktuellen Innovationsschwäche der Konzernmarke Audi auch mit der Stärke andere Player wie BMW und vor allem einiger chinesischer OEMs zusammen – ein Trend, den wir schon seit mehreren Jahren beobachten“, kommentiert Studienleiter Stefan Bratzel. „Bemerkenswert ist auch die aktuelle Stärke von Toyota auf Platz vier – das beste Abschneiden des weltweit größten Automobilkonzerns seit 2017“, so der Branchen-Experte weiter.

Die Entscheidungsgrundlage für die AutomotiveINNOVATIONS Awards bildet der jährlich neu aufgelegte AutomotiveINNOVATIONS Report auf Basis der Innovationsdatenbank des Center of Automotive Management. Seit 2005 erhebt das CAM unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Bratzel die Produktinnovationen von globalen Automobilkonzernen und bewertet diese nach quantitativen und qualitativen Kriterien. Für das Jahr 2023/24 hat das CAM die Innovationen von 30 globalen Automobilherstellern und Newcomern mit rund 100 Automobilmarken analysiert. Dabei wurden insgesamt 709 einzelne, in Serie verfügbare OEM-Innovationen in den Technologiefeldern Electric Drive, Autonomous Driving & ADAS sowie Infotainment & Connectivity bewertet. Unter diesen befinden sich 195 – hoch bewertete – Weltneuheiten. In die wissenschaftliche Evaluation flossen Kriterien wie Reifegrad, Originalität, Kundennutzen und der Innovationsgrad ein. Darüber hinaus indizieren weitere 282 Vorserieninnovationen bzw. Studien die Entwicklungstendenzen der Automobilhersteller in der Folgezeit.

Für eine Übersicht rund um das Thema Automobil-Innovationen hält das CAM ein spezielles Internetportal bereit, mit vielen Hintergrundinformationen und einem kostenlosen Testzugang zum AutomotiveINNOVATIONS Dashboard – einer visuellen Aufbereitung der Innovationsdatenbank des CAM: https://automotiveinnovations.de/

Weitere Informationen erhalten Sie bei:

Center of Automotive Management (CAM)
Prof. Dr. Stefan Bratzel
Direktor
Tel.: (0 22 02) 28 57 7-0
E-Mail: stefan.bratzel@auto-institut.de  
www.auto-institut.de          


Über das Center of Automotive Management (CAM):

Das Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach ist ein unabhängiges, wissenschaftliches Institut für empirische Automobil- und Mobilitätsforschung an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Direktor und Gründer des Auto-Instituts ist Prof. Dr. Stefan Bratzel. Weitere Details unter www.auto-institut.de.

Performance-Vergleich der globalen Automobilhersteller – Erhöhter Profitabilitätsdruck im ersten Quartal 2024 im Zuge der Elektro-Transformation

  • Die durchschnittliche EBIT-Marge von 10 ausgewählten globalen Automobilherstellern sinkt im 1. Quartal 2024 auf 7,1% (2023: 8,3%) und fällt damit auf den tiefsten Wert seit mehr als drei Jahren.
  • BMW ist konzernweit über alle Segmente mit 11,1% operativer Marge am profitabelsten, gefolgt von Mercedes-Benz (10,8%) und Toyota (10,0%). Die VW Group liegt mit 6,1% im Mittelfeld, während Ford mit einer Rendite von 2,9% das Schlusslicht bildet.
  • Der durchschnittliche Gewinn (EBIT) pro Fahrzeug sinkt um 19% von 2.771 auf 2.253 EUR. Die Premiumhersteller BMW (4.557 EUR) und Mercedes-Benz (4.321 EUR) verdienen am besten. Die Elektroautobauer Tesla (2.803 EUR) und BYD (1.191 EUR) büßen an Profitabilität ein, rangieren aber trotzdem vor etablierten Automobilherstellern wie Ford (920 EUR) oder Honda (615 EUR).


Bei den in den letzten Jahren von stark überdurchschnittlichen Gewinnmargen verwöhnten Auto-
mobilhersteller kehrt im 1. Quartal 2024 wieder zunehmend Normalität ein. Nachdem die Unterneh-
men zuletzt durch Lieferengpässe bei ungebrochener Nachfrage vor allem höherpreisige und mar-
genträchtigere Fahrzeuge produzieren konnten, drücken nun anhaltend hohe Kapitalzinsen sowie
wirtschafts- und geopolitische Unsicherheiten negativ auf die Auftragseingänge. Ein Langzeitver-
gleich von zehn globalen Automobilherstellern zeigt einen Rückgang der EBIT-Marge seit 2021/22
auf durchschnittlich 7,1% (Q1 2024). Die Profite sind dabei eng an den strategischen Markterfolg
geknüpft: Mit den flexiblen Multi-Powertrain-Plattformen sowie dem breit verfügbaren und attrak-
tiven Angebotsportfolio erzielt die BMW Group (11,1%) dabei aktuell die höchste Rendite. Der Ver-
kauf und die Profitabilität von Elektrofahrzeugen bleibt angesichts des schwächelnden Markthoch-
laufs in Europa und den USA dagegen insgesamt herausfordernd. Während etablierte Hersteller wie
Ford hohe Verluste pro Elektrofahrzeug verzeichnen, können die Marktführer Tesla (5,5%) und BYD
(4,6%) trotz des Preiskrieges noch respektable Gewinne verbuchen. Das sind die zentralen Erkennt-
nisse einer aktuellen Kurzstudie des Center of Automotive Management (CAM) im Rahmen des
Electromobility Report 2024.


Die EBIT-Marge der zehn ausgewählten globalen Automobilhersteller (vgl. Abbildung 1) sinkt im ersten
Quartal 2024 mit durchschnittlich 7,1% auf den tiefsten Stand seit drei Jahren. Zum Vergleich: Zwi-
schen 2021 und 2023 erzielten dieselben Akteure durchschnittlich eine jährliche operative Rendite von
8,3-8,4%. Die deutschen Premiumhersteller BMW (11,1%) und Mercedes-Benz (10,8%) bleiben im
Wettbewerbsvergleich die profitabelsten Autokonzerne, wenngleich Toyota (10,0%) als größter
Volumenhersteller nur knapp dahinter folgt. Auch General Motors (GM) kann im 1. Quartal seine
Marge auf 8,7% steigern. Die VW Group liegt mit 6,1% Gesamtrendite im Mittelfeld und kann sich
knapp vor Hyundai (5,8%) und Honda (5,6%) platzieren. Die Elektroautohersteller Tesla (5,5%) und BYD
(4,6%) leiden unter dem schwächelnden Markthochlauf sowie dem dynamischen Preiswettbewerb:
Der US-Hersteller erzielte im Jahr 2021 noch rund 17% EBIT-Marge, während BYD in den letzten Jahren
zwischen 4 und 5% liegt. In einer noch schwierigeren Lage befindet sich Ford: Über alle Fahrzeugseg-
mente hinweg erzielte das Unternehmen nur eine operative Rendite von 2,9%. Die Elektro-Sparte „Mo-
del e“ schlägt hierbei mit einem negativen EBIT von umgerechnet -1,2 Mrd. EUR besonders negativ
zubuche.


Abbildung 1: EBIT-Marge ausgewählter Automobilkonzerne (2019 – Q1 2024, in %)


Wie die Gesamtrendite reduziert sich auch im Kern-Automobilgeschäft der Gewinn (EBIT) pro abge-
setztes Fahrzeug (vgl. Abbildung 2). Die zehn betrachteten Automobilhersteller verdienen im 1. Quar-
tal 2024 durchschnittlich 2.253 EUR/Fahrzeug, was einem Rückgang von 19% gegenüber dem Gesamt-
jahr 2023 entspricht. Damals brachte jedes verkaufte Automobil noch 2.771 EUR an operativem Ge-
winn ein. Zu den Bestverdienern zählen wenig überraschend die deutschen Premiumhersteller BMW
und Mercedes-Benz, die jeweils mehr als 4.000 EUR EBIT pro Fahrzeug erreichen. Dennoch ergibt sich
ein rückläufiger Trend: BMW verdiente im Gesamtjahr 2023 noch etwas mehr als 5.000 EUR pro Auto,
während es bei Mercedes-Benz sogar über 7.000 EUR waren. Die Stuttgarter haben insbesondere mit
ihrem Pkw-Geschäft zu kämpfen. Das EBIT von Mercedes-Benz Cars liegt im Q1 2024 etwa 41% unter-
halb des Gewinns aus dem Vorjahresquartal. Mit Ausnahme von GM weisen auch die übrigen etablier-
ten Automobilhersteller rückläufige oder weitestgehend stagnierende Gewinne pro Fahrzeug aus. Der
US-Konzern dürfte vor allem mit seinem ausgereiften Verbrenner-Portfolio vom schwächelnden EV-
Markthochlauf auf dem Heimatmarkt profitieren.

Abbildung 2: EBIT (Automotive) pro Fahrzeug ausgewählter Automobilkonzerne (2023 – Q1 2024, in EUR)


Elektrofahrzeughersteller wie Tesla oder BYD haben derweil umso stärker mit dem gegenwärtigen
Markthochlauf zu kämpfen und erreichen nur noch ein EBIT von umgerechnet 2.803 bzw. 1.191
EUR/Fahrzeug. Damit ist der Gewinn pro Fahrzeug bei Tesla zwar noch deutlich höher als der Durch-
schnitt des Samples aus 10 globalen Automobilherstellern. Allerdings verdiente Tesla 2021 mit 5.894
EUR/Fahrzeug noch mehr als das Doppelte.


BYD setzt dagegen weiterhin auf Volumen und Expansion. Das Unternehmen kann seinen Absatz so-
wohl im Heimatmarkt als auch zunehmend in anderen Regionen steigern und fährt weiterhin eine ag-
gressive Pricing-Strategie bei einer Marge zwischen 4 und 5%. Obwohl BYD ausschließlich vollelektri-
sche Autos und Plug-In-Hybride fertigt, liegt der Gewinn pro Fahrzeug in etwa auf Höhe der überwie-
gend vom Verbrennungsmotor abhängigen VW Group (1.272 EUR). Der US-Akteur Ford, der als einzi-
ger etablierter Hersteller die Finanzkennzahlen seiner Elektro-Sparte veröffentlicht, verbucht im 1.
Quartal 2024 infolge schwacher Nachfrage und getätigter Preisanpassungen einen operativen Verlust
von etwa 120.000 EUR/Fahrzeug. Im Gesamtjahr 2023 verlor das Unternehmen bereits rund 33.000
EUR pro abgesetztes Elektroauto. Angesichts der Kaufzurückhaltung breiter Kundenschichten ist davon
auszugehen, dass die Elektromobilität – abseits des chinesischen Fahrzeugmarktes – auch im Jahr 2024
für viele etablierte Automobilhersteller ein unattraktives Verlustgeschäft bleiben wird.


Studienleiter Stefan Bratzel: „Die aktuellen Entwicklungen der Finanzkennzahlen globaler Automobil-
hersteller unter besonderer Berücksichtigung der Elektromobilität offenbaren die Zwickmühle, in der
sich etablierte OEMs gegenwärtig befinden. Einerseits sind sie – nicht zuletzt aufgrund regulatorischer
Anforderungen – gezwungen, verstärkt emissionsarme oder lokal emissionsfreie Fahrzeuge anzubieten.
Andererseits verdienen die Akteure mehrheitlich noch kein Geld mit Elektroautos und sind indes auf
stabile Renditen ihres Verbrennergeschäfts angewiesen, um die hohen Investitionssummen für neue
Zukunftstechnologien zu stemmen. Dabei gibt es keinen Weg zurück, sondern vor allem zwei Hand-
lungsoptionen: Erstens gilt es die Kosten von Elektrofahrzeugen entlang der Wertschöpfungskette
weiter zu reduzieren und – ggf. durch Kooperationen – Skaleneffekte im Bereich Batteriezelle, Packaging
sowie Design und Produktion der Fahrzeuge zu erzielen. Die Endkundenpreise zwischen Verbrennern
und Elektrofahrzeugen müssen für den weiteren Markthochlauf angeglichen werden. Zweitens gilt es
insbesondere im Wettbewerb mit chinesischen Autobauern die Innovationskraft im Bereich Elektromo-
bilität zu erhöhen. Gerade deutsche Autobauer müssen mindestens so viel innovativer und besser sein,
wie sie teurer sind. Das ist vor dem Hintergrund der aktuellen Innovationsdynamik der chinesischen
Automobilindustrie eine überlebensnotwendige und gleichsam herkulesische Aufgabe.“


Forbes: Plugin Hybrids Take Advantage Of European EV Pause But Will It Last?

“In Europe, EV sales are losing some of their momentum,” said CAM director Professor Stefan Bratzel. Long-term forecasts for EV sales in Europe are still very strong, with most expectations centering around 9 million a year in 2030, compared with about 2 million last year. PHEVs are still expected to remain the poor relation, hovering above and below 1 million sales a year through 2030.

https://www.forbes.com/sites/neilwinton/2024/04/16/plugin-hybrids-take-advantage-of-european-ev-pause-but-will-it-last/?ss=transportation&sh=f14b54f3041c

Globale Markt- und Absatztrends der Elektromobilität – Hohe Wettbewerbsintensität in einer herausfordernden Marktlage

    • Im ersten Quartal des Jahres 2024 wurden in den drei automobilen Kernregionen China, Europa und USA zusammen 1,75 Mio. BEVs (+11%) und rund 1,1 Mio. PHEVs (+52%) neu zugelassen. China leistet hierzu mit 1 Mio. BEVs und 740 Tsd. PHEVs den größten Beitrag.

    • Deutschland verliert mit nur 81 Tsd. BEVs (-14%) seine Spitzenposition als europäischer Elektro-Leitmarkt nach Neuzulassungen an das Vereinigte Königreich mit 84 Tsd. BEVs (+11%). Frankreich wächst ebenfalls dynamisch und folgt mit knapp 80 Tsd. BEVs (+24%) kurz dahinter.

    • Unter den OEMs (Konzernebene) muss Tesla erstmals einen Absatzrückgang hinnehmen, erzielt jedoch mit 387 Tsd. die meisten BEV-Verkäufe. BYD steigert seinen Absatz auf 300 Tsd. BEVs und setzt den Marktführer weiter unter Druck. SAIC (150 Tsd.), VW Group (136 Tsd.) und Geely Group (130 Tsd.) komplettieren die Top 5 im BEV-Bereich.

    • Im Gesamtjahr 2024 rechnet das CAM mit weltweiten BEV-Neuzulassungen in Höhe von etwa 10 Mio. Pkw (+11%), davon knapp 6 Mio. in China, 2,3 Mio. in Europa und 1,3 Mio. in den USA.

Die Wachstumsdynamik der Elektromobilität verschiebt sich angesichts konjunktureller Herausforderungen und zurückhaltender Kundennachfrage zugunsten von Hybrid-Technologien. Während vollelektrische Pkw (BEVs) in den automobilen Kernmärkten China, Europa und USA nur um 11% auf 1,75 Mio. BEVs zulegen, steigen Plug-In-Hybride (PHEVs) überdurchschnittlich um 52% auf 1,1 Mio. Einheiten. Vielen Automobilherstellern macht diese Entwicklung sichtlich zu schaffen. Der BEV-Marktführer Tesla verzeichnet ein reduziertes Absatzvolumen von 387 Tsd. Pkw (-9%) und selbst BYD meldet trotz signifikanter Preissenkungen nur eine Steigerung um 13% auf 300 Tsd. BEVs. Unter den deutschen Herstellern weist BMW (+28%) das stärkste Wachstum auf. Die VW Group (-1%) und Mercedes-Benz (-7%) müssen stattdessen Volumeneinbußen hinnehmen. Für das Gesamtjahr 2024 rechnet das Center of Automotive Management (CAM) aufgrund der angespannten Lage mit etwa 10 Mio. BEVs (+11%), davon knapp 6 Mio. in China, 2,3 Mio. in Europa und rund 1,3 Mio. in den USA.

 

China treibt die Elektromobilität als größter Automobilmarkt der Welt am stärksten voran. Zwischen Januar und März 2024 wurden rund 1 Mio. BEVs sowie etwa 740 Tsd. PHEVs neu zugelassen, was einem Wachstum von 15% bzw. 75% gegenüber dem Vorjahresquartal entspricht (vgl. Abbildung 1). Mit einem EV-Anteil von etwa 37% ist damit mehr als jedes Dritte neu zugelassene Auto in China entweder vollelektrisch oder ein Plug-In-Hybrid (Q1 2023: 31%). Speziell PHEVs erfreuen sich einer erhöhten Beliebtheit: Machte die Antriebsart im März 2023 noch etwa 10% der Neuzulassungen aus, so waren es ein Jahr später bereits rund 17%.

 

Abbildung 1: EV-Neuzulassungen und -Marktanteile in den Kernregionen (Q1 2023/24)

 

In Europa verlieren Elektrofahrzeuge dagegen etwas an Momentum. In der EU, EFTA und UK steigt der BEV-Absatz nach Schätzungen des CAM nur marginal um 6% auf etwa 460 Tsd. Einheiten und die PHEV-Neuzulassungen um 14% auf 260 Tsd. Pkw. Dabei büßt Deutschland seine Position als europäischer Leitmarkt der E-Mobilität nach abgesetztem Fahrzeugvolumen ein (vgl. Abbildung 2). Während die BEV-Neuzulassungen hierzulande um 14% auf 81 Tsd. Einheiten einbrechen, verzeichnet das Vereinigte Königreich ein Wachstum von 11% auf 84 Tsd. BEVs. Auch Frankreich vermeldet einen starken Zuwachs von 24% auf 80 Tsd. BEVs. Selbst wenn man die PHEVs hinzurechnet, liegt das Vereinigte Königreich mit 127 Tsd. Neuzulassungen knapp vor Deutschland mit 126 Tsd. EVs und Frankreich mit 119 Tsd. EVs.

 

Abbildung 2: EV-Neuzulassungen und -Marktanteile in europäischen Automobilmärkten

 

In den USA schwächt sich der Hochlauf der BEV-Neuzulassungen ebenfalls ab. Für das erste Quartal 2024 rechnet das CAM mit einem Niveau von etwa 265 Tsd. BEVs, was lediglich einer Steigerung von 6% im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Tesla hat zwar mit einem Volumen von 167 Tsd. (+3%) noch immer den größten Marktanteil, kann diesen jedoch angesichts stärkerer Konkurrenz immer schwieriger verteidigen. Machte das Unternehmen im Vorjahreszeitraum noch über 62% der BEV-Verkäufe aus, so sind es jetzt nur noch 55%. Hinzu kommt, dass auch in den USA Plug-In-Hybride verstärkt als Alternative zum vollelektrischen Antrieb angesehen werden. Einige Hersteller, darunter auch die einheimischen Konzerne Ford und GM, haben ihre BEV-Pläne zugunsten von PHEVs nach hinten korrigiert.

 

Die regional unterschiedlichen Entwicklungen der Elektromobilität machen sich in den Absatzbilanzen der Automobilhersteller bemerkbar (vgl. Abbildung 3). Der US-Hersteller Tesla kann seinen geplanten Wachstumspfad gegenwärtig nicht umsetzen und meldet stattdessen ein Auslieferungsdefizit von 9% gegenüber dem Vorjahresquartal. Mit rund 387 Tsd. verkauften BEVs ist das Unternehmen dennoch international der größte Automobilhersteller von reinen Elektrofahrzeugen. Der chinesische Hauptwettbewerber BYD erzielt u.a. dank seiner aggressiven Preispolitik ein marktdurchschnittliches Wachstum von 13% bei seinen BEVs und liegt mit einem Volumen von 300 Tsd. Einheiten auf dem zweiten Rang. Zählt man die 324 Tsd. ebenfalls verkauften PHEVs hinzu, dann ist BYD mit weitem Abstand der größte Fertiger von Elektrofahrzeugen (EVs).

 

Im Rennen um den dritten Platz der Hersteller mit den am meisten verkauften BEVs kann sich nach Schätzungen des CAM der chinesische Automobilkonzern SAIC gegenüber der VW Group durchsetzen. SAIC berichtet über einen Verkaufszuwachs seiner „New Energy Vehicles“ (BEV, PHEV, HEV, FCEV) von 48% gegenüber dem Vorjahresquartal auf 210 Tsd. Fahrzeuge, wovon etwa 150 Tsd. BEVs (+13%) sein dürften. Damit ist nahezu jedes dritte neu zugelassene Fahrzeug (32%) des Unternehmens vollelektrisch. Der VW Konzern hat hingegen insbesondere in Europa (-24%) und den USA (-16%) mit rückläufigen BEV-Absätzen zu kämpfen und rutscht mit einem globalen Verkaufsvolumen von 136 Tsd. BEVs (-1%) auf den vierten Platz ab. Ebenso bedenklich ist der mit weiterhin 7% unverändert niedrige BEV-Anteil an den Gesamtverkäufen. Die Geely Group, der unter anderem die Hersteller Volvo, Polestar und Lotus zugehören, wächst mit einem Volumen von 130 Tsd. BEVs (+31%) am stärksten und vervollständigt damit die Top 5. Da auch die Gesamtzulassungen stark ansteigen (+35%), bleibt der BEV-Anteil unverändert bei etwa 20%.

 

Abbildung 3: Top 5 Automobilhersteller nach BEV-Neuzulassungen (Q1 2023/24)

 

Die weiteren deutschen Automobilhersteller BMW und Mercedes-Benz entwickeln sich gegensätzlich. BMW erhöht mit rund 83 Tsd. ausgelieferten Fahrzeugen (+28%) seinen BEV-Absatz überdurchschnittlich im Vergleich zum Gesamtmarkt und erreicht einen BEV-Anteil von 14% (Q1 2023: 11%). Dagegen vermeldet Mercedes-Benz einen leichten Rückgang der Auslieferungen vollelektrischer Pkw und Vans auf 51 Tsd. Einheiten (-7%). Dies kann einerseits auf die auslaufende Produktion des smart fortwo sowie andererseits den ebenfalls rückläufigen Gesamtabsatz (-6%) zurückgeführt werden. Nichtsdestotrotz bleibt der BEV-Anteil von Mercedes-Benz mit 9% auf einem anhaltend niedrigen Niveau.

 

Bei den Prognosen für das Gesamtjahr 2024 geht das CAM weltweit von etwa 10 Mio. BEV-Neuzulassungen aus (+11%). Der chinesische Markt wird dabei mit knapp 6 Mio. Einheiten und rund 60% des weltweiten Absatzes eine führende Rolle bei der Antriebswende einnehmen (+17%). In Europa dürfte sich die konträre Entwicklung der einzelnen Binnenmärkte sowie die ausbleibende Preisattraktivität von Elektrofahrzeugen dämpfend auf die Neuzulassungen auswirken. Das CAM geht hierbei von etwa 2,3 Mio. BEVs aus (+15%), wobei für Deutschland rund 470 Tsd. Elektrofahrzeuge (-10%) prognostiziert werden. Die USA befinden sich angesichts der hohen politischen Unsicherheit im Zuge der anstehenden Präsidentschaftswahl in einem schwierigen Findungsprozess mit unklarem Ausgang. Für die Elektromobilität könnten diese Rahmenbedingungen nur ein geringfügiges Wachstum auf 1,3 Mio. BEVs (+8%) bedeuten.

 

 


Hierzu Studienleiter Stefan Bratzel: „Der Hochlauf vollelektrischer Pkw ist in einer kritischen Übergangsphase und gerät in vielen Teilen der Welt zugunsten von Verbrenner- und Hybrid-Technologien (z.B. PHEVs) ins Stocken. Diese Entwicklung kann angesichts der omnipräsenten klimatischen Bedrohungslage sowie der politischen Diskussion über eine Verschiebung von Emissionszielen als alarmierend eingestuft werden. Was wir jetzt brauchen, ist eine Wiederbelebung der Märkte mit technologisch ausgereiften und preislich attraktiven Modellen. Nur so lassen sich schwierige Käuferschichten ohne Early-Adopter-Mindset dauerhaft überzeugen. Diese existieren bereits und stammen immer häufiger aus chinesischen Werken, was der hiesigen Industrie zu denken geben sollte.“

 

 


Über den Electromobility Report:

 

Der CAM Electromobility Report 2024 analysiert regelmäßig die aktuellen Markt-, Absatz- und Innovationstrends der Elektromobilität in wichtigen Kernmärkten (z.B. China, USA, Europa und Deutschland). Gleichzeitig werden die wesentlichen Einflussfaktoren auf den Markthochlauf der Elektromobilität empirisch beleuchtet. Die daraus abgeleiteten Annahmen werden schließlich in Markthochlauf-Szenarien für das Jahr 2030 überführt. Die Untersuchung konzentriert sich auf reine Batteriefahrzeuge (BEV) und Plug-In-Hybride (PHEV).

 

For more information: https://auto-institut.de/e-mobility/

 

Cybersicherheit: Immer mehr Angriffe auf Automobilbranche – Studie zu Automotive Cyber Security

  • Die Bedeutung von Cyber Security steigt mit Digitalisierung und Vernetzung der Fahrzeuge, Elektromobilität und autonomem Fahren
  • Immer mehr Cyber-Angriffe auf Fahrzeuge und Unternehmen erhöhen permanent die Gefahrenlage
  • Umfassende Cybersicherheitsstrategien sind heute nötig, werden aber nicht überall umgesetzt

Cyber Security zählt zu den größten Herausforderungen und Erfolgsfaktoren der Automobilbranche in den nächsten Jahren. Mit zunehmender Digitalisierung und Vernetzung der Fahrzeuge sowie den Trends Elektromobilität und autonomes Fahren wächst der Bedarf für eine effektive Cybersicherheitsstrategie. Fahrzeuge und Unternehmen der Automobilwirtschaft sind verstärkt Ziele von Cyber-Angriffen. Die stark zunehmenden Risiken zeigen die Dringlichkeit für umfassende Cyber-Security-Programme. Doch die Qualität ihrer Konzeption und Umsetzung ist in den verschiedenen Wertschöpfungsebenen und -stufen der Branche sehr unterschiedlich. Das zeigt die Studie „Automotive Cyber Security“, die vom Center of Automotive Management (CAM) in Kooperation mit Cisco Systems verfasst wurde.

Mit der zunehmenden Vernetzung und Digitalisierung von Autos, Produktion und Logistik, steigt das Risiko für Cyberangriffe auf die Automobilindustrie. In einer umfassenden Analyse wurden die verschiedenen Angriffsvektoren systematisch analysiert. Allein beim vernetzten Fahrzeug gibt es 12 verschiedene Angriffsbereiche, in denen wiederum potenziell mehrere Eintrittsmöglichkeiten bestehen.

Die Aufstellung zeigt weiterhin: Cyberangriffe beschränken sich in der Automobilindustrie nicht auf große, etablierte Hersteller, sondern treffen verstärkt Zuliefererunternehmen, Automobilhändler und weitere Player entlang der Wertschöpfungskette. Eine Analyse von 52 signifikanten Sicherheitsvorfällen zwischen Januar und Juni 2022 zeigt, dass etwa zwei Drittel (67%) hauptsächlich Automobilzulieferer betrafen. Die komplexe Lieferkette gilt als große Schwachstelle und bietet zentrale Angriffspunkte, die mit hoher Wahrscheinlichkeit und oft großem Schadensausmaß ausgenutzt werden.

„Die Cybergefahrenlage für die Automobilbranche ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Mit der Verbreitung von Software-definierten Fahrzeugen, der Elektromobilität, dem autonomen Fahren und der vernetzten Lieferkette erhöhen sich die Cyber-Risiken weiter. Eine professionelle Cyber Security-Strategy von Unternehmen gewinnt als unerlässlicher Hygienefaktor in der Automobilindustrie stark an Bedeutung,“ erklärt Studienleiter Prof. Dr. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM). „Die Unternehmen unterscheiden sich jedoch bezüglich der Qualität von Konzeption und Umsetzung erheblich. Eine hohe Cyber Security Performance erhöht die Resilienz vor den zunehmenden Cyber-Angriffen und ermöglicht eine schnelle Erkennung und angemessene Reaktion auf entsprechende Vorfälle.“

Connected Cars & Services führen zu mehr Angriffsvektoren

Kundenwünsche nach Connected Cars und Connected Services erzeugen einen enormen Wettbewerbsdruck, durch den Sicherheitsaspekte mitunter in den Hintergrund geraten. Zusätzlich ist die Umsetzung von Automotive Cyber Security sehr aufwendig: Sie umfasst den gesamten Produktlebenszyklus des Fahrzeugs von der Entwicklung über die Produktion bis hin zur Fahrzeugnutzung. Dabei muss die Sicherheit in einer komplexen Wertschöpfungskette mit einer verteilten Verantwortung im großen Lieferanten- und Partnernetzwerk gesichert werden.

Dies fordern auch neue regulative Vorgaben zur Cybersicherheit in Kraftfahrzeugen wie die UN R155 (15) und die EU-Verordnung 2018/858. Sie müssen seit Juli 2022 von den Herstellern in der EU verpflichtend für alle neuen Fahrzeugtypen und ab Juli 2024 auch für alle bestehenden Fahrzeugtypen umgesetzt werden.

„Für Automotive-Unternehmen wird das Thema Cyber Security erfolgsentscheidend“, ergänzt Christian Korff, Managing Director Global Accounts und Mitglied der Geschäftsleitung von Cisco Deutschland und Auftraggeber der Studie. „Die Automobilindustrie ist ein Eckpfeiler unser deutschen Wirtschaft. Wir dürfen uns hier keine Anfälligkeiten im Cyberbereich erlauben. Nur wer auf allen ebenen sichere Fahrzeuge und Services bereitstellt, behält das Vertrauen der Kunden.“

Cyberangriffe steigen

Eine im Rahmen der Studie durchgeführte Meta-Analyse zu den Cyber-Angriffen auf Fahrzeuge und Unternehmen der Automobilwirtschaft offenbart die stark zunehmenden Risiken. Die Auswertungen der bisherigen Angriffspunkte auf die Cybersicherheit der internationalen Automobilwirtschaft zeigen, dass die Quantität und Qualität der Angriffe in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist. Sie betreffen die gesamte Automobilindustrie, wie aktuelle Beispiele aus den Jahren 2022 und 2023 zeigen:

  • Nachdem ein Zulieferer von Kunststoffteilen und elektronischen Komponenten von einem mutmaßlichen Cyber-Angriff getroffen wurde, musste Toyota im Februar 2022 den Betrieb seiner japanischen Fabriken kurzzeitig aussetzen und konnte rund 13.000 Autos nicht planmäßig bauen.
  • Der US-Hersteller General Motors gab bekannt, dass er im April 2022 Opfer eines Cyber-Angriffs wurde, bei dem einige Kundendaten preisgegeben wurden und Hacker Prämienpunkte gegen Geschenkkarten einlösen konnten.
  • Auch der Zulieferer Continental wurde zum Ziel von Cyberkriminellen. Eine Untersuchung des Vorfalls im Sommer 2022 hat ergeben, dass die Angreifer trotz etablierter Sicherheitsvorkehrungen einen Teilbestand an Daten aus betroffenen IT-Systemen entwenden konnten.
  • Im März 2023 wurde von einem Cyber-Angriff auf Tesla berichtet, bei dem sich Hacker aus der Ferne in ein Fahrzeug einwählen und diverse Funktionen ausführen konnten. Dazu zählten etwa die Betätigung der Hupe, das Öffnen des Kofferraumes, das Einschalten des Abblendlichts sowie die Manipulation des Infotainment-Systems.
  • Software-Schwachstellen in der multimodalen Mobilitäts-App Moovit führten im August 2023 dazu, dass Sicherheitsforscher zahlreiche Registrierungsdaten von verschiedenen Benutzerkonten abgreifen und für kostenfreie Fahrten ausnutzen konnten.

„Die Automobilbranche bietet auch durch die zunehmende Vernetzung viele Angriffsmöglichkeiten für professionelle Cyberangreifer – egal ob im Auto selbst, bei der Produktion oder den verzweigen Logistigketten,“ erklärt Holger Unterbrink, Technical Leader bei Cisco Talos – einer der größten kommerziellen Threat Research Einheiten der Welt. „Angreifer gehen heute äußerst professionell vor. Sie suchen schlecht gesicherte Zugänge in komplexen IT-Umgebungen bei Unternehmen mit hoher Reputation und hohen Cash-Reserven. Da bietet die Automobilindustrie ein lohnenswertes Ziel. Ich erwarte hier in den nächsten Jahren eine weitere Zunahmen der Cyberattaken.“

Die Studie hat in einem „Deep Dive“ zur Elektromobilität herausgearbeitet, dass die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zu den besonders gefährdeten Bereichen zählt. Das Lade-Ökosystem ist durch seine verschiedenen Marktteilnehmer außerordentlich komplex und bietet grundsätzlich viele Angriffspunkte für Cyber-Kriminelle. Insgesamt zeigt die Analyse der Cyber-Angriffe, dass das Bewusstsein in der Branche für die Gefahren und Risiken noch deutlich unterentwickelt ist.

Große Unterschiede beim Status

Das Erreichen einer hohen Cyber Security Performance in Automobilunternehmen erfordert somit große Anstrengungen und muss kontinuierlich überprüft werden. Die auf unterschiedlichen Wertschöpfungsebenen und -stufen der Branche verorteten Unternehmen unterscheiden sich dabei erheblich im Hinblick auf die Qualität der Konzeption und Umsetzung von Cybersicherheitsprogrammen. Sie befinden sich vor allem bei vielen Zulieferern und Dienstleistern noch auf einem niedrigen Niveau. Mit zunehmender Vernetzung und Automatisierung der Lieferkette erhöht sich jedoch die Angriffsfläche. Dabei kann sich Malware von den internen Systemen eines Zulieferers auf Dienstleister-Netzwerke und sogar Unternehmensnetzwerke der Automobilhersteller verbreiten.

In der Studie wird ein Modell zur empirischen Bewertung der Cyber Security Performance von Automobilunternehmen vorgeschlagen. Das 4C-Modell vereint dafür relevante Leistungskriterien von Cyber Security in vier Dimensionen: Kompetenzen (Competencies), Kooperationen (Cooperations), Kultur & Organisation (Culture & Organisation) sowie die Cyber-Strategie (Cyber Strategy). Die Erfüllung der zugehörigen Kriterien stellt laut den Studienautoren eine wichtige Voraussetzung für eine hohe Leistungsqualität von Cyber Security und damit den langfristigen Erfolg der Unternehmen dar.

Die Studie kann hier kostenfrei heruntergeladen werden.