Die dritte Ausgabe des Mobility Services Report (MSR) fokussiert die Entwicklungstrends im Bereich Mobilitätsdienstleistungen in den wichtigsten Marktregionen der Welt. Das Center of Automotive Management (CAM) hat über 400 Services von Automobilherstellern, Digitalplayern und Mobility Providern in den Bereichen Fahrdienstvermittlung, Carsharing, multimodale Dienste sowie Micromobility nach quantitativen und qualitativen Kriterien erfasst und bewertet.
Die Mobilitätsdienstleistungen sind ungeachtet der Heterogenität der verschiedenen Servicefelder insgesamt in einer Konsolidierungs- und Reifephase. Dabei wirkt die Pandemie insgesamt als ein Katalysator, indem es den Ausleseprozess unter den Anbietern beschleunigt und die Neigung zu Kooperationen erhöht. Bei vielen Mobilitätsservices steht bereits der reale (Mobilitäts-)Nutzen und die Entwicklung nachhaltig profitabler Geschäftsmodelle der Anbieter im Vordergrund . Die Trends in den einzelnen Mobilitätsdienstleistungsfeldern sind darüber hinaus jedoch noch recht heterogen.
Fahrdienstvermittlung ist das größte und bedeutendste Mobilitätsdienstleistungsfeld, bei dem mittel- und langfristig durch autonomes Fahren erhebliche Umsatzpotenzialen zu erwarten sind. Im Sample wurden 111 Services in sieben Fahrdienstbereichen wie Taxiportale, Privattaxi oder autonome Shuttles untersucht. Die Servicetypen Privattaxis und Taxi-Portale bilden zunehmend oligopolistische Marktstrukturen heraus, d.h. nur wenige Unternehmen besitzen eine hohe Marktdurchdringung. Dominiert wird dieser Markt von Mobility Providern/Start-ups, während Automobilhersteller – mit Ausnahme des BMW/Daimler-Joint Ventures (z.B. Free Now) – keine relevante Rolle als Anbieter spielen. Am stärksten sind die Services in den USA und in China verbreitet, wo Uber und Lyft bzw. Didi Chuxing den Markt kontrollieren. Gesamthaft erreichen Uber und Didi Chuxing die höchste Servicestärke. Die führenden Unternehmen entwickeln zunehmend umfassende „Ökosysteme einer Sharing-Mobilität“, die auf ihren Digital-Portalen nicht mehr nur diverse Fahrdienste und auch Lieferservices kombinieren. Zusätzlich werden neue Geschäftsfelder wie Leasing oder Ladedienste für Elektroautos aufgebaut. Der Marktführer Didi hat z.B. einen Automobilhersteller beauftragt nach seinen Vorgaben ein speziell für den Sharing-Bereich zugeschnittenes Elektrofahrzeug entwickeln und bauen zu lassen. Darüber hinaus engagiert sich das Unternehmen intensiv im Bereich des autonomen Fahrens. Durch die hohe Zahl von Kunden- und Fahrzeugen und der entsprechenden Marktstärke der Mobility Provider könnten Fahrzeughersteller längerfristig zu Lieferanten der Sharing-Anbieter herabgestuft werden.
Vollautonomes bzw. fahrerloses Fahren eröffnet völlig neue Geschäftsfelder im Sharing-Umfeld, jedoch hängt der Erfolg wesentlich von der Entwicklung „strategischer Kompetenzen“ ab. Dabei handelt es sich um interne und externe Wissenselemente, Humanressourcen, technische Ressourcen sowie um Geschäftsprozesse. Die Analyse der Entwicklungstrends im Bereich des autonomen Fahrens bzw. der autonomen Fahrdienste zeigt dabei erhebliche Kompetenzunterschiede zwischen den Akteuren, wobei zwei zentrale Wertschöpfungsfelder bzw. „Profit Pools“ des autonomen Fahrens unterschieden werden können: Erstens, das autonome Fahrsystem, dessen technische Entwicklung umfangreiche Kompetenzen in den Bereichen Hardware-, Software und Daten (insbes. Sensorik, Aktuatorik, Fahrschlauch-Algorithmus, Cybersecurity) erfordert. Im Akteursvergleich hat derzeit die Alphabet-Tochter Waymo die höchsten Kompetenzen beim (voll-)autonomen Fahren. Ein Feld mit technologisch hoch bewerteten Playern besteht aus Intel (Mobileye), GM (Cruise) sowie Amazon, Baidu und Pony.AI. Im oberen Mittelfeld befinden sich ferner die Automobil-OEMs Volkswagen, Hyundai und Tesla, deren strategische Kompetenzen auf ähnlichem Niveau liegen. Während weiteren Digitalunternehmen bzw. Mobility Providern wie Didi Chuxing, AutoX oder Apple mit mittleren bis hohen Kompetenzen noch Chancen bei der Entwicklung der autonomen Fahrsysteme besitzen, erscheint ein Großteil der etablierten Automobilhersteller als abgeschlagen.
Shared Mobility Services bieten Mobilitätsoptionen ohne Autobesitz, mit denen auch die kommerzielle Nutzung des autonomen Fahrens realisiert werden kann. Neben der technologischen Entwicklung des autonomen Fahrsystems zählen als zweites Element daher auch die Service-Kompetenzen, also das Know-how, die Ressourcen und Assets rund um den Betrieb von (autonomen) Fahrdiensten bzw. Mobilitäts-Plattformen zu den strategischen Kompetenzfeldern des autonomen Fahrens: Als wichtig erscheinen spezielles Know-how als Betreiber von autonomen Fahrdiensten sowie gleichzeitig die Existenz und Qualität von Fahrdienst- bzw. Mobilitätsplattformen. Die Mobilitätsplattform stellt einen Marktplatz für Mobilitätsangebote dar und bringt diese mit einer möglichst hohen Kundennachfrage zusammen. In diesem Zukunftsfeld setzt sich aktuell eine Gruppe mit Top-Innovatoren von der Konkurrenz ab. Zu dieser Gruppe gehört wiederum Alphabet mit Waymo und Google Maps, der chinesische Mobilitätsdienstleister Didi Chuxing sowie Intel mit Mobileye und Moovit. Die OEMs nehmen momentan mit weitem Abstand zu den vorherigen Gruppen eine Verfolgerposition ein und haben verglichen mit der Spitzengruppe in diesen Kompetenzfeldern großen Aufholbedarf.
Innerhalb des Mobilitätsdienstleistungsfeldes Carsharing wurden 47 Anbieterservices untersucht, die sich in die Servicetypen Free-float, stationsbasiert und Peer-to-Peer Carsharing aufteilen. Größter Free-Floating-Anbieter ist das Joint-Venture von BMW und Daimler „Your Now“ mit seinem Dienst ShareNow. Bei ShareNow zeigt sich jedoch im Vergleich zu den Vorjahren eine Konsolidierung, da sowohl die bedienten Städte als auch die Zahl der Kunden rückläufig sind. Stationsbasiertes Carsharing ist insbesondere in China auf Wachstumskurs. Die drei großen chinesischen Anbieter Gofun (Shouqi), BAIC Mobility und EVCard (SAIC) verfügen über die größten Fahrzeugflotten. Das Peer-2-Peer Carsharing wird von drei großen Unternehmen beherrscht: Nach Kundenanzahl handelt es sich bei Turo um den größten Anbieter, gefolgt von Getaround und Free2Move (bislang bekannt als „Travelcar“). Insgesamt lassen sich hier vier Trends identifizieren: Immer mehr Dienstleister elektrifizieren ihre Free-Floating-Flotten in mehreren Städten, z.B. Share Now (BMW/Daimler), Free2Move (Stellantis) oder WeShare (VW). Knapp 40 Prozent der Free-Floating-Carsharing-Anbieter in Europa arbeiten bereits mit einer 100-prozentigen Elektroflotte. Mehrere Carsharing-Anbieter testen oder starten bereits multimodale Angebote. Ziel ist die bessere Vernetzung der Carsharing-Angebote mit anderen Verkehrsträgern. Im Bereich des Peer-to-Peer-Carsharings setzt sich – wie bislang schon beim Free-floating – ein digitaler Buchungsprozess immer mehr durch. Neben der Nutzung von Standard-Pkws für das Carsharing experimentieren die Betreiber mit Special Purpose Vehicles, d.h. speziellen Fahrzeugen für den Carsharing-Einsatz. Der Fokus liegt entweder auf einer verbesserte Haltbarkeit oder einem geringeren Platzbedarf der Fahrzeuge in den Innenstädten
•Aus der Perspektive der relevanten Akteure von Mobility Services ergeben sich folgende Befunde: Unter den globalen Automobilherstellern ist eine starke Polarisierung von wenigen engagierten Unternehmen und vielen eher passiven Akteuren festzustellen. Die in vielen Fällen recht allgemeinen und unkonkreten strategischen Aussagen vieler Automobilhersteller sind meist dem Umstand geschuldet, dass vernetzte Mobilitätsdienstleistungen ein relativ neues Geschäftsfeld darstellt, das bislang nicht zu ihren Kernkompetenzen zählte. Die Analyse der Mobilitätsangebote zeigt, dass viele OEMs entsprechend noch kaum praktische Erfahrungen mit Mobility Services haben. So bieten große etablierte OEMs wie Honda, Ford oder Nissan bislang kaum entsprechende Dienste an. Unter den betrachteten chinesischen OEMs ist – mit Ausnahme von SAIC und Geely – das Angebot von Mobility Services ebenfalls noch schwach ausgeprägt. Das gilt auch für Startups wie Nio oder auch Tesla, die den Sharing-Bereich bislang weitgehend ausgeblendet haben.
Aus der Analyse der Verfügbarkeit und der qualitativen Marktdurchdringung (Zahl der Kunden, Fahrzeuge etc.) von Mobilitätsdienstleistungen schneiden unter 30 Automobilherstellern nur drei Konzerne sehr gut ab: Daimler (330 Indexpunkte), BMW (263 IP) und Stellantis (248 IP). Mit deutlichem Abstand folgen im Mittelfeld die VW Group, Toyota, SAIC, Renault und Geely (165-150 IP) sowie Hyundai (119 IP) und Ford (100 IP). Geely und General Motors haben im Vergleich zum Vorjahr mehrere Plätze im Ranking verloren, während Stellantis (Vorjahr noch getrennt: PSA und Fiat-Chrysler), Toyota und SAIC zu den Aufsteigern zählen.
Allerdings sind die Automobilhersteller im Sharing-Universum alles andere als allein. So zeigt sich, dass die etablierten Automobilhersteller im intensiven Wettbewerb mit spezialisierten Mobility Providern und großen Digital Playern stehen, welche in vielen Mobilitätsdienstleistungsfeldern sogar dominieren. Automobilhersteller spielen im Service-Hauptfeld Carsharing eine wichtige Rolle: Daimler, Stellantis und BMW führen das Feld an, vor allem wegen der starken Position beim Free-floating Carsharing. Ähnlich bei den multimodalen Diensten: Auch hier liegen die genannten drei mit ihren Marken FreeNow/Reach Now (Daimler, BMW) bzw. Free2Move (Stellantis) vorn. Ganz anders sieht die Wettbewerbssituation im Bereich der Fahrdienstvermittlung aus: Dominiert wird das Feld von den Mobility Playern, allen voran den großen globalen „New Mobility“-Firmen Didi Chuxing und Uber, die mit Abstand am stärksten sind. Das betrifft nicht nur die Gesamtwertung, sondern auch wichtige Servicetypen wie Taxi-Portal, Ridesharing und die Privattaxi- und Chauffeursdienste. Lediglich Daimler und BMW spielen u.a. mit FreeNow in diesem Bereich (noch) eine relevante Rolle. Auch der Bereich Micro-Mobility ist keine Domäne der Automobilhersteller. Hier sind fast ausschließlich Mobility Provider Startups vertreten, wobei der wichtigste Anbieter Neutron mit der Marke Lime ist, gefolgt von Didi Chuxing („Didi Bike“), Meituan, Bird, Tier, Youon („Hellobike“) und Nextbike.
Weitere Infos: https://auto-institut.de/mobility-services-2/ oder https://mobility-services-report.com/