Volkswagen, BMW und Daimler sowie Tesla bleiben in der Mehrjahresbetrachtung seit 2016 die in- novationsstärksten globalen Automobilkonzerne vor Hyundai, Ford und Stellantis. Mit BYD, Great Wall, Geely kommen erstmals drei chinesische OEM in die Top-10. Insgesamt zählen die chinesischen Automobilhersteller zu den großen Gewinnern der letzten Jahre und können ihre Innovationsleis- tungen erheblich steigern. An Innovationskraft verlieren vor allem die japanischen Hersteller, wobei der weltweit absatzstärkste OEM Toyota nur noch auf Rang 13 kommt. Gleichzeitig drängen Auto- motive Start-ups wie Xpeng, Nio, Rivian und Lucid mit hoher Innovationsdynamik in den Weltmarkt. Das sind die Kernergebnisse der aktuellen AutomotiveINNOVATIONS Studie des Center of Automo- tive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, die die fahrzeugtechnischen Innovationen von 30 Au- tomobilkonzernen mit über 80 Automobilmarken bilanziert. Basis des Langzeitvergleichs sind rund 2.900 Neuerungen, die zwischen 2016 und 2021 (1. Halbjahr) in Serienmodellen hervorgebracht wur- den. Die Bewertung aller Neuerungen erfolgte nach quantitativen und qualitativen Kriterien (MOBIL- Ansatz, siehe unten).
Deutsche OEMs belegen Podiumsplätze
Die deutschen Automobilhersteller können ihre starken Innovationsleistungen bislang auch in der Transformationsphase der Branche seit 2015 halten. Der Volkswagen Konzern mit den Kernmarken VW, Audi und Porsche liegt über beide Vergleichsperioden (2016-18 bzw. 2019-21) im Innovationsran- king mit 366 (bzw. 410) Indexpunkten trotz eines leichten Rückgangs vorn. (siehe Abb. 1). Die Innova- tionsleistung in den Jahren 2019-21 wird insbesondere von Innovationen in den Technologiefeldern elektrischer Antrieb sowie Bedien- und Anzeigekonzepte getragen.
Auf Rang 2 der innovationsstärksten Hersteller rückt BMW mit 282 Indexpunkten vor (+37%) und verdrängt in einem Kopf-an-Kopf-Rennen Daimler auf Rang 3. BMW generiert in dieser Periode 125 serienreife Welt- und Konzernneuheiten, wie dem aktiven Ampelassistenten des Urban Cruise Control Systems, welcher eigenständig rote Ampeln erkennt und vor diesen zum Stillstand kommt. Daimler, jetzt Mercedes-Benz Cars, präsentiert mit der Neuvorstellung seiner neuen Mercedes-Benz S-Klasse (2020) zahlreiche Neuerungen wie den MBUX-Interieur-Assistenten oder das Digital Light, welches u.a. durch auf Straße projizierte Symbole vor Baustellen warnen kann. Insgesamt liegen die Stuttgarter mit 118 identifizierten und einzeln bewerteten Welt- und Konzernneuheiten knapp hinter ihrem Kernwettbewerber.
Abbildung 1: Innovationsstärke der globalen Automobilhersteller (Konzernebene) – Ranking Top 15
Tesla und Hyundai dominieren Mittelfeld, Ford und chinesische OEMs steigern Innovationskraft am stärksten
Der US-Elektroautobauer Tesla erreicht in beiden Betrachtungsperioden trotz weniger Baureihen einen starken vierten Rang. Durch serienreife Weltneuheiten aus den Technologiefeldern elektrischer Antrieb (z.B. Reichweitenoptimierung Model S) und Fahrerassistenzsysteme (z.B. Navigate on Autopi- lot Model 3) kann Tesla seine Innovationskraft sogar um rund 37 Prozent steigern. Hyundai kann sich mit Innovationen, wie einem Stromverbrauchs-Bestwert des Kia e-Soul (2019) im Segment der Mini- vans, auf dem fünften Platz behaupten. Allerdings hat sich der Abstand der Südkoreaner zu Tesla und den Top 3 etwas vergrößert.
Zu den größten Gewinnern im Periodenvergleich zählt überraschend der US-Konzern Ford, der auf Rang 6 vorrückt und sich um fünf Plätze verbessert. Insgesamt konnte Ford seit 2019 mit mehr als 65 Konzern- und Weltneuheiten rund doppelt so viele Serieninnovationen hervorbringen als in der ersten Betrachtungsperiode. Ursächlich für diese positive Entwicklung sind vor allem innovative Modelle wie der Ford Mustang Mach-E (2020), welcher in puncto elektrische Reichweite neue Maßstäbe im Seg- ment der Medium-Size SUV setzt oder der Ford F-150 (2020), der als weltweit erster Pick-up Truck via Over-The-Air Updates (OTA) neue oder verbesserte Assistenzsysteme erhalten kann.
Neben Ford gewinnen insbesondere die chinesischen Konzerne an Bedeutung im Innovationsranking. So erfährt BYD mit einer Steigerung der Innovationskraft um mehr als 300 Prozent das größte Wachs- tum aller im Periodenvergleich betrachteten Automobilhersteller. Verantwortlich dafür ist vor allem eine breite Elektrooffensive, da BYD bereits zu einem frühen Zeitpunkt eine Vielzahl an rein elektri- schen Fahrzeugen (BEV) in diversen Segmenten (z.B. BYD Song PRO als Medium-Size SUV, BYD Han EV in der oberen Mittelklasse oder BYD Song MAX als Minivan) hervorgebracht hat. Darüber hinaus pro- fitiert BYD von dem in Kooperation mit Didi Chuxing (chinesischer Mobilitätsanbieter) entwickelten Didi D1, einem speziell für Ride-Hailing-Zwecke konzipiertem Elektrofahrzeug der unteren Mittelklasse, das über spezielle Features wie einem regenbogenfarbenen „Pick-up-Light“ verfügt. Auch Great Wall legt in der zweiten Betrachtungsperiode (2019-21) mit einem Plus von mehr als 160 Prozent deutlich an Innovationskraft zu und bringt serienreife Weltneuheiten wie eine gestenbasierte autonome Aus- parkfunktion im Wey Mocha (2021) auf den Markt. SAIC steigert seine Innovationsstärke vor allem aufgrund eines ausgeweiteten Angebots an Elektrofahrzeugen (z.B. Roewe Ei5, Roewe ER6 oder Maxus T90) und dank der Einführung des Baojun E300, einem vollelektrischen Kleinstwagen, der bereits se- rienmäßig nach SAE-Level 2 teilautonom fahren kann.
Studienleiter Stefan Bratzel: „Elektromobilität, Vernetzung und autonomes Fahren führen zu einem dramatischen Wandel, der in den nächsten 10 Jahren zu einer Neuordnung der Branche führt. Die deutschen Automobilkonzerne besitzen allen Unkenrufen zum Trotz derzeit eine sehr hohe Innovations- stärke und decken mit ihren Neuerungen eine hohe Breite an Technologien ab. Allerdings ist diese po- sitive Momentaufnahme aufgrund der hohen Innovationsdynamik keine langfristige Überlebensgaran- tie. Bereits heute punkten Tesla und weitere Newcomer insbesondere aus China mit einer hohen Inno- vationskraft und setzen die etablierten Hersteller unter enormen Wettbewerbsdruck. In der Transfor- mationsphase der Branche werden umfassende Kompetenzen in den Bereichen Elektromobilität, Connected Services und Autonomens Fahren zu den entscheidenden Erfolgs- und Überlebensbedingun- gen der Automobilhersteller.“
Geely, GM und Toyota büßen an Innovationskraft ein und verlieren die meisten Plätze im Ranking
Zu den größten Verlierern im Periodenvergleich zählen neben Geely, der als einziger chinesischer Konzern eine rückläufige Innovationsstärke im zweiten Betrachtungszeitraum aufweist, auch General Motors (GM) und der japanische Großkonzern Toyota. Geely, dessen Innovationskraft maßgeblich von den schwedischen Tochtermarken Volvo und Polestar beeinflusst wird, kann seine sehr hohe Innova- tionsstärke in der Vorperiode nicht halten und fällt vom sechsten auf den zehnten Platz zurück. Auch der US-amerikanische Konzern General Motors kann nicht an die Innovationsstärke in der ersten Peri- ode anknüpfen und rutscht von dem neunten auf den zwölften Rang ab. Trotz Einführung neuer, innovativer Modelle wie dem GMC Hummer EV, welcher mit einer maximal erreichbaren Ladeleistung von bis zu 350 kW neue Maßstäbe setzt, verpasst GM mit einer um circa 10 Prozent gesunkenen Innovati- onsleistung eine Platzierung in den Top 10. Das Beispiel Toyota zeigt, dass Stagnation in einem dyna- mischen Wettbewerbsumfeld den Anschluss an die Konkurrenz erschwert. Während andere Konzerne ihre Innovationskraft häufig im hohen zweistelligen Prozentbereich steigern konnten, verbleibt Toyota auf etwa dem gleichen Innovationsniveau wie in der ersten Periode und rutscht damit von Platz zehn auf dreizehn ab. Mit Nissan und Honda verschlechtern weitere japanische Hersteller. Während Nissan von Rang 14 auf Rang 16 zurückfällt, büßt Honda 7 Plätze ein und kommt nur noch auf Rang 19. Auch Tata Motors kann die hohe Innovationsstärke seiner Premiumarken Jaguar und Land Rover in der Vor- periode nicht halten und rutscht von Rang 8 auf Rang 17 ab.
Abbildung 2: CAM AutomotiveINNOVATIONS Newcomer Ranking 2021
Methodik:
Ziel der CAM-Innovationsstudie ist die Analyse der Innovationstrends der Automobilindustrie sowie der Innovationsstärke der Unternehmen. Seit dem Jahr 2005 werden dazu jährlich zwischen 600 und 1.200 fahrzeugtechnische Innovationen der Automobilhersteller erfasst, die jeweils nach ca. 50 defi- nierten Kriterien wie Technologiefeld, Innovationstyp, Modell etc. klassifiziert und nach dem M.OB.IL- Ansatz (Maturity, Originality, Benefit, Innovation Level) systematisch bewertet werden. Als Innovatio- nen definiert das CAM Neuerungen, die einen neuen oder zusätzlichen Kundennutzen im Vergleich zum Status Quo bieten. Dabei werden etwa Weltneuheiten, die in Serie verfügbar sind und einen ho- hen Kundennutzen haben, höher bewertet als Me-too- bzw. Konzern-Neuheiten, die lediglich als Vor- serie oder Studie (Prototyp) vorliegen. So ergibt sich für jede Innovation ein Indexwert, der zu Gesamt- werten für einzelne Konzerne oder Marken verdichtet werden kann. Eine Methodik-Übersicht findet sich hier: http://www.automotiveinnovations.de/download/MOBIL-Approach.pdf
Über die Studie:
Die Gesamtstudie AutomotiveINNOVATIONS 2021, die mehr als 150 Seiten mit mehr als 100 Grafiken, Abbildungen und Tabellen umfasst, kann unter https://auto-institut.de/automotiveinnovations-2/ kostenpflichtig bestellt werden. Sie identifiziert auf Basis von über 600 kategorisierten und einzeln be- werteten, fahrzeugtechnischen Neuerungen des Jahres 2020/21 die Zukunftstrends von 30 Automo- bilkonzernen mit 80 Marken u.a. aus Europa, Japan, den USA und China.
Über das CAM:
Das Center of Automotive Management (CAM) ist ein unabhängiges, wissenschaftliches Institut für empirische Automobil- und Mobilitätsforschung sowie für strategische Beratung an der Fachhoch- schule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. Seine Kunden unterstützt das Auto-Institut auf Basis umfangreicher Datenbanken, insbesondere zu fahrzeugtechnischen Innovationen der globalen Automobilindustrie sowie zur Markt- und Finanz-Performance von Automobilherstellern und Automo- bilzulieferunternehmen. Mittels eines fundierten Branchen-Know-hows und intimer Marktkenntnisse erarbeitet das Auto-Institut individuelle Marktforschungskonzepte und praxisorientierte Lösungen für seine Kunden aus der Automobil- und Mobilitätswirtschaft.
Center of Automotive Management (CAM)
Prof. Dr. Stefan Bratzel An der Gohrsmühle 25 51465 Bergisch Gladbach
Tel.: +49 (0) 22 02 / 28577-0 Mobil: +49 (0) 174 / 9 73 17 78 Fax: +49 (0) 22 02 / 28577-28
E-Mail: stefan.bratzel@auto-institut.de Web: www.auto-institut.de