Studie des Fraunhofer IAO und des Center of Automotive Management (CAM) gibt Handlungsempfehlungen, um Deutschland zu einem der führenden Standorte für das automatisierte Fahren zu machen

Wie kann die Automobilnation Deutschland ihrer Vorreiterrolle gerecht werden und der großflächigen Anwendung von (teil-)autonomen Fahrsystemen den Weg ebnen? Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und das Center of Automotive Management (CAM) haben diese Fragestellung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) untersucht und in einer Studie Herausforderungen und Handlungsempfehlungen formuliert.

Eine Überschrift in der Zeitung lesen, das Smartphone checken oder sich kurz den Kindern auf der Rückbank zuwenden, während der Pkw selbstständig die Autobahn entlangfährt? Was für manche nach Zukunft klingt, ist in der Automobilbranche unter dem Begriff »Level 3: Hochautomatisiertes Fahren« in einigen Fahrzeugen bereits heute technisch umgesetzt und wird in den nächsten Jahren vermehrt Realität auch auf deutschen Straßen. Das autonome Fahren der Stufe 4, bei dem der Fahrer sich dauerhaft vom Verkehr abwenden darf und bei Problemen nicht mehr umgehend selbst wieder das Steuer übernehmen muss, kommt ebenfalls Stück für Stück in greifbare Nähe. Auch wenn der Weg dahin noch lang sein mag, so ist die Perspektive des autonomen Fahrens der Stufe 4 aus wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Perspektive sehr erstrebenswert.

Mobilität der Zukunft gestalten: Für Mensch und Umwelt

Was geschehen muss, damit in Deutschland die nächste Stufe zum selbstfahrenden Auto umgesetzt werden kann, hat das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und in Kooperation mit dem Center of Automotive Management (CAM) untersucht. Die Ergebnisse wurden im Rahmen des Technischen Kongresses des VDA am 20. Februar 2024 vorgestellt. »Für Deutschland als Automobilnation sehe ich die Notwendigkeit, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen« betont Studienleiter Lukas Block vom Fraunhofer IAO und ergänzt: »Das vollautomatisierte Fahren bringt vielfältige Vorteile mit sich – sowohl für den Standort Deutschland, für die beteiligten Aktiven der Automobilbranche als auch für die Gesellschaft«. Denn je höher der Automatisierungsgrad, desto mobiler können sich Menschen unabhängig von Alter, Gesundheit oder anderen Einschränkungen fortbewegen. Dies wiederum gestattet einerseits eine menschenzentrierte Umgestaltung von Verkehrsräumen sowie die Verbesserung des Schutzes der Umwelt und andererseits die Entwicklung attraktiver Produkte und Dienstleistungen für den nationalen und internationalen Markt. Weitere Vorteile sind eine Verbesserung der Verkehrssituation und der wirtschaftlichen Effizienz sowie die Lösung des Fahrermangels. In China sind beispielsweise in mehreren Metropolen bereits Robotaxis ohne Sicherheitsfahrer unterwegs. In den USA betreiben ebenfalls mehrere Unternehmen Testflotten für autonome Fahrzeuge. Dort musste allerdings ein Anbieter auf Anweisung der Behörden nach einem Unfall alle Tests mit seinen Fahrzeugen zeitweise einstellen.

Stefan Bratzel vom CAM weist daher darauf hin, dass die Ausgangslage Deutschlands und der deutschen Akteure beim automatisierten Fahren im internationalen Wettbewerbsvergleich unterschiedlich ist: »Während deutsche Automobilhersteller und -zulieferer eine führende Rolle im Bereich von Fahr- und Parksystemen der Automatisierungsstufen 2 bis 3 einnehmen, bieten bislang ausschließlich chinesische und US-amerikanische Akteure kommerzielle Dienstleistungen im Bereich der Robotaxis und Roboshuttles der Stufe 4 an. Um als Innovationsstandort zu punkten, müssen sich die Akteure in Deutschland zeitnah auf skalierbare Anwendungsfälle fokussieren und deren Umsetzung vorantreiben«.

Zwei Erfolgsfaktoren für die Mobilität der Zukunft: Mehr Vernetzung, weniger Bürokratie

Zwei Maßnahmen sind laut der Studie entscheidend, damit sich das automatisierte Fahren in der Breite durchsetzen kann: Zum einen müssen die beteiligten Akteure miteinander vernetzt, befähigt und motiviert werden, damit Produkte im Bereich des automatisierten und vernetzten Fahrens Marktreife erlangen sowie praktische Hürden überwunden und gewinnbringende Geschäftsmodelle entwickelt werden. Dazu empfehlen die Studienautoren die Einrichtung einer nationalen Koordinationsstelle für automatisiertes und vernetztes Fahren. Zum anderen müssen Hürden auf behördlicher Seite aus dem Weg geräumt werden, womit beispielsweise die bundesweite Vereinheitlichung und unbürokratische Definition von Genehmigungsprozessen gemeint ist. Ein weiterer Erfolgsfaktor für das automatisierte Fahren ist das Vorhandensein von HD-Karten sowie die Bereitstellung von Verkehrsinformationen. Hochauflösende Karten erlauben das sichere Vorankommen eines vollautomatisierten Fahrzeugs, ergänzend zu den Echtzeitdaten an Bord der Fahrzeuge. Um Karten- und Verkehrsdaten empfangen zu können, ist außerdem ein flächendeckender Mobilfunkausbau notwendig.

Das Fazit der Studie lautet: Deutschland zu einem führenden Innovationsstandort für automatisiertes und vernetztes Fahren zu machen, ist nicht einfach, aber angesichts vorhandener Kompetenzen und Rahmenbedingungen möglich. Um das Ziel zu erreichen, ist ein eindeutiger politischer Wille sowie eine hohe Koordinationskraft und Kooperationsbereitschaft der relevanten Aktiven erforderlich.

Die Studie kann HIER kostenfrei heruntergeladen werden.